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Wir laufen!

LGL beim Megamarsch Bremen

„Hier ist der Start, dort ist das Ziel, dazwischen musst du laufen.“ Emil Zátopek

„…oder wandern oder gehen oder humpeln.“ Carsten Kreimer

Haben wir Fehler gemacht? JA!
Aber selbst mit dem Wissen von heute, dem Tag danach, wäre es ein hartes Unterfangen gewesen. Aber ich greife vor…

Imke hatte die Idee. Und weil ich einfach gerne mit Imke unterwegs bin, habe ich einfach zugesagt, als sie mich fragte, ob ich mit ihr einen Megamarsch machen würde. Und Madelaine? Die hat nur mitbekommen, dass wir darüber gesprochen haben und begeisterungsfähig wie sie ist fragte, ob sie nicht auch mitmachen könne. Ich glaube, so wirklich bewusst war es keinem von uns, was auf uns zukommen würde.

Was klar war. Megamarsch Bremen. 50 km und 12 Stunden Zeit. Dank Hanna und Malte war eine Schlafmöglichkeit schnell gefunden und die Vorbereitungen liefen an. Wobei… Echt jetzt? Drei, vier lange Wanderungen bei Imke, zwei längere Wanderungen bei mir – keine auch nur ansatzweise so lang wie die Hälfte der Strecke. Madelaine gebeutelt nach schwerem Infekt, aber sonst ganz gut im Training. Aber auch viel um die Ohren. In den letzten Tagen dann mega Aktivismus. Allerdings nicht fürs Training, sondern für das Befüllen des Rucksacks. Es wurden Nachrichten geschrieben und es wurde ausgiebig geplant, was alles mitgenommen werden muss. Um es vorweg zu nehmen. Ein großer Fehler. Denn es war für alles gesorgt.
Madelaine kam aus Rostock nach Bremen, Imke und ich hatten einen Zwischenstopp in Oldenburg eingelegt. Einigermaßen erholt trafen wir uns auf dem Parkplatz. Noch einmal wurden die Rucksäcke überprüft und wir berichteten uns gegenseitig, was wir alles eingepackt hatten. Auch hier möchte ich einen kleinen Spoiler einschieben. Denn die 10 Schnitten Brot, die Madelaine liebevoll für uns geschmiert hatte, sollten den ganzen Tag, ja bis in die Abendstunden, für einen DER Runninggags auf der Strecke sorgen. Einen weiteren habe ich beigesteuert, hielt ich es doch für eine mega Idee ein Longsleeve einzupacken PLUS LGL Jacke. Das alles bei angesagten 24 Grad Sonnenschein, Regenwahrscheinlichkeit gegen 0 Prozent.

Um 10.15 Uhr ging es los. Aufgrund der Coronaregelungen gab es im Viertelstundentackt Startwellen ab 7.30 Uhr. Wir waren um 10.15 Uhr die zweitletzte Startertruppe, die sich auf den Weg machen sollte. Meine App hatte mir eine Laufzeit von 9 Stunden 48 prognostiziert. Ja ne – is klar. Um es mal mit den Worten Atze Schröders zu sagen. 50 km – 4 Versorgungspunkte ca. alle 10 Kilometer. Meine Uhr versagte bei der Routenführung komplett, aber schnell wurde klar. Alles war gut. Denn die Strecke war klasse gekennzeichnet. Meist hatten wir eh einige Wander:innen vor uns, aber auch sonst gibt es bei der Beschilderung nichts zu meckern. Großes Lob an das Veranstaltungsteam.

Nach ca. 5!!! (In Worten fünf) Kilometer stellte ich fest, dass es nicht die beste Idee war, mit kaputten Schuhen loszulaufen. Ein kleines Loch an der Ferse zum Fuß hin legte eine Kunststoffverstärkung frei, die also nach 5 Kilometer bereits an meiner Ferse scheuerte. Also war ich fast erleichtert, als Imke bei Kilometer 7 die Ansage machte, sie würde gerne ein Blasenpflaster unter den Fuß kleben, da sie da etwas spüren würde und wir uns einig waren: Besser rechtzeitig kleben, als danach lange leiden. Also kurzer Stopp, Pflaster angelegt und weiter ging es.

Beim ersten VP stellte sich nur eine Frage. Werden wir mit einer negativen Kalorienbilanz den Marsch beenden – oder zunehmen? Eine breite Auswahl an Äpfeln, Bananen, Gurken, Erdnüssen, Salzstangen und und und und Haferflockenriegel mit Geschmacksrichtungen wie Apfelstrudel, Pina Colada und Blaubeerkuchen ließen unsere Augen groß werden. Vegan. Natürlich vegan, sonst hätten wir ja nicht so begeistert zugegriffen. Als wir nach guten 10 Minuten den VP verließen, hatten wir nichts aus dem Rucksack genommen, sondern im Gegenteil noch Riegel dazu gepackt.

Aktuelle Anzahl an Madelaines Stullen. Weiterhin 10!

Waren die ersten 10 Kilometer noch sehr abwechslungsreich, Weserdeich und Wiesen, kamen nun sehr lange Passagen auf Radwegen entlang gut befahrener Straßen. Auch hier ein kleiner Spoiler. Von den 50 Kilometer waren maximal 2 im Schatten. VP 2 erreicht. Wieder gegessen. Ich verdrückte die ersten selbst mitgebrachten Kartoffeln in Kombination mit Gurken, die es reichlich an jedem VP gab. Zwischendurch gab es einen Anruf von Anne und somit waren wir in gutem Kontakt zur Truppe in Hanau. Ein Team. Egal wo wir gerade sind.

Noch einmal umgepflastert. Aktueller Stand „Brote Madelaine 10!“ Als wir den VP 2 verließen.

Das Gewicht der Rucksäcke nahezu unverändert.

Zwischen VP 2 und VP 3, wieder entlang vieler befahrener Straßen, war die ironische Frage „Hat eigentlich jemand Stullen dabei?“ Schon genau so eingespielt wie die regelmäßige Frage von Imke „Trinkt Ihr auch genug?“ Was postwendend von uns dreien mit dem Griff zur Trinkflasche oder Trinkblase quittiert wurde. Passend dazu gab es bei Kilometer 25 einen Stand von Krombacher, den wir gar nicht auf dem Schirm hatten. Das gekühlte, alkoholfreie Bier bzw. Radler kam wie gerufen.

Zu den eingespielten Ritualen und den Runninggags der Strecke kam bei mir eine zweite Blase. An der anderen Ferse. Prinzipiell bin ich für Gleichberechtigung. In diesem Fall hätte ich darauf verzichten können. Sonne gab es reichlich. Sichtbare Zeichen auf der Haut vereinzelnd auch – aber dafür die LgL Shirts nach wie vor tiefschwarz und ohne hässliche weiße Streifen durch Sonnencreme.

Am VP 3 dann Linsensuppe. Vegan. Und ein nettes Crewmitglied, welcher uns bestätigte, wir seien nicht die Einzigen, die viel viel viel zu viel Lebensmittel mit sich tragen würden. Er hätte es bei seinem ersten Megamarsch genauso gemacht. Tröstlich, aber nun auch nicht mehr zu ändern. Schnell die Flaschen aufgefüllt und in Ruhe etwas gegessen. Immerhin haben wir dafür bezahlt. Auch das mittlerweile ein Runninggag. Zu diesem Zeitpunkt wollte Imke schon gar nicht mehr wissen, was sich in ihrem Schuh zusammenbraute. Und auch ich war sehr gespannt, wie sich weitere 20 Kilometer anfühlen würden. Eines war klar. Nicht gut. Aber natürlich haben wir uns wieder auf den Weg gemacht. Aktueller Stand an Madelaines Stullen 10! Zumindest soweit ich mich erinnern kann.

Highlight zwischen VP 3 und VP 4 waren zwei Nutrias, die seelenruhig in einem Teich voller Entengrütze mit offenem Maul durchs Wasser pflügten und mit den Pfoten besagte Entengrütze in den Mund schoben. Hach. Für einen kurzen Moment machten unsere Herzen kleine Sprünge. Etwas zu dem unsere Füße, zumindest die von Imke und mir, nicht mehr zu überreden gewesen wären. Aber zu dem Zeitpunkt ahnten wir ja auch noch nicht…

Die Strecke, mittlerweile wieder etwas mehr im Grünen, zog sich vorbei an Wiesen, Straßen, einem Industriegebiet und einmal durch eine Wiese, als wolle man den Beweis antreten, es würde in Bremen auch Trails geben. Am VP 4 lichteten sich mittlerweile die Reihen. Hatten wir ab dem VP 2 vereinzelt Menschen gesehen, die sich Urkunden ausstellen ließen (…und den Lauf somit beendeten), so gab es davon jetzt am vierten VP einige mehr. Die Stimmung bei uns immer noch sehr gut. Eine kalte Cola, ein paar Nüsse und leckere vegane Riegel. Mittlerweile hatten wir, die wir reichlich Riegel von zu Hause mitgebracht hatten, nicht weniger sondern mehr Riegel im Rucksack als beim Start. Aktueller Stand Madelaines Stullen – gefühlt 10! Obwohl ich glaube, Madelaine hat am VP 4 eine Stulle gegessen. Sicher bin ich mir aber nicht.

Also die letzten 10 Kilometer. Es würde zu weit führen jetzt zu erklären, warum für uns „eine Broteinheit 2,5 km lang“ sein musste. Aber uns wurde einfach nicht langweilig und wir hatten uns pausenlos etwas zu erzählen, zu philosophieren und zu kommentieren. Mal zu zweit, mal zu dritt. Und dann gab es ja auch noch die Anrufe von Anne, Malte und Jana. Im Hintergrund immer einige LgL´er:innen, die kurz Hallo sagen wollten. Abwechslung vorhanden und ein tolles WIR Gefühl jederzeit im Gepäck.
Mittlerweile wurde uns klar. 9 Stunden 48 war nicht zu schaffen. Selbst als reine Wanderzeit – sehr knapp bemessen. Und wir hatten ja auch Pausen gemacht. Langsam wurde es dunkler und in der Abenddämmerung ging es für uns wieder an der Weser entlang durch die Bremer Altstadt. Gefühlt ein wenig demütigend, verschwitzt wie wir waren, staubig und wohl auch ein wenig fertig. Das Anlaufen eine Qual. Erst einmal in der Bewegung ging es. Aber der Start, nach durch eine Fußgängerampel erzwungenem Halt, alles andere als wohltuend. Imke hatte uns mit einem Motivationskärtchen, welches sich in jedem Starterbeutel befand, immer wieder angeheizt. Aber mittlerweile merkte man auch ihr an, dass das Ziel so langsam kommen dürfte.
Aber zu dem Zeitpunkt ahnten wir ja auch noch nicht…

Und dann war es soweit. Das Ziel. Unser gemeinsamer Zieleinlauf. Wir feierten uns und unsere Leistung. Die so ganz anders war wie die Läufe, die wir gemeistert haben. Denn wir waren 11 Stunden 41 unterwegs. Reine Bewegungszeit laut Strava 10 Stunden 45. So lange war noch keiner von uns bei einer Veranstaltung auf den Beinen. Und das nicht auf dem Vorderfuß, sondern wandernd auf dem ganzen Fuß. Bei Temperaturen von bis zu 26 Grad.

Madelaine schien dabei noch immer total leichtfüßig zu sein. Etwas das ich von Imke und mir nicht berichten kann. Ich habe es dann auch nicht gewagt, meine Schuhe auszuziehen. Imke schon. Und dann sahen wir sie zum ersten Mal. Die größte Blase, die ich je gesehen habe. Vom Mittelfuß bis zu den Zehen. Unvorstellbar, dass Imke damit die letzten 20 Kilometer gewandert ist. Mein Respekt. Was für ein Wille und Durchhaltevermögen. Gepaart mit einer Portion Glück, denn Imke sagt von sich selber, hätte sie bei VP 3 oder VP 4 die Schuhe ausgezogen und die Blase gesehen, sie wäre keinen Schritt weiter gegangen. So saßen wir nun im Ziel. Es war dunkel. Es wurde langsam frisch. Sogar so frisch, dass wir unsere Jacken anzogen. Habe ich ja gleich gesagt, dass so ein Longsleeve oder eine Jacke eine gute Idee sei. Ironiemodus aus.

Und jetzt, mit unserer Medaille und der Urkunde auf der Bank, haben wir Madelaines Stullen gegessen. Getränke gab es leider nur noch sehr begrenzt in der Auswahl. Aber wir hatten ja noch immer unsere Rucksäcke mit Leckerchen.
Glücklich. Zufrieden. Angekommen im Ziel.
Ob wir es wieder machen? Fragt uns das in ein paar Wochen, Tagen oder im nächsten Montags-Zoomcall.

Jetzt heißt es erst einmal regenerieren.
Ich blicke zurück auf eine wertvolle Erfahrung mit zwei absoluten Herzensmenschen an meiner Seite und vielen tollen Menschen parallel am Mobiltelefon.

Was wieder einmal beweist…

Laufen gegen Leiden ist mehr als ein Laufverein.

PS: Imkes Blase wurde dann noch von sehr netten Sanitätern behandelt. Die staunten nicht schlecht und riefen direkt noch Kollegen, um sich das „Kunstwerk“ anzuschauen.

PPS: Ich hoffe sehr, dass Imke, wenn die Blase verheilt ist, nicht auf die Idee kommt, einen 100´er Megamarsch anzuvisieren. Also bringt sie bitte nicht auf solch einen Gedanken. Danke!!!!!


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